Rechtsanwälte Hagen und Gevelsberg

03.01.2018

Meine Woche hat jetzt 12 Arbeitstage? - oder: Sonntag ist nicht gleich Ruhetag.

Aus den Wirrungen des Europäischen Gerichtshofs nach der Entscheidung vom 09.11.2017, Aktenzeichen C-306/16.

Ausgangslage:

In Deutschland sind wir es gewohnt, dass man von Montag bis Freitag, teilweise von Montag bis Samstag arbeitet und am Sonntag einen Ruhetag hat.

Dies ist begründet in der christlichen Prägung, welche unserer Gesetzgebung in vielen Bereichen noch zugrunde liegt.

Noch ist hier auch richtig, da die entsprechende Gesetzgebung durch Entscheidungen von Obergerichten, insbesondere z. B. des Europäischen Gerichtshofs immer wieder aufgeweicht wird.

Nach dem Arbeitszeitgesetz (§ 9 ff. Arbeitszeitgesetz) dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen, 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr nicht beschäftigt werden. Dies hat grundlegend mit vielen Ausnahmen zur Folge, dass man am Sonntag einen Ruhetag hat und regelmäßig vor diesem Ruhetag und nach diesem Ruhetag noch ein paar Stunden zusätzlich, bis man wieder arbeiten muss.

Hierdurch besteht die Möglichkeit für den Arbeitnehmer sich zu regenerieren, z. B. seinen religiösen Pflichten nachzugehen etc.

Dieser Mindeststandard ist zum Schutz von Arbeitnehmern auch durchaus sinnvoll. Ob dies in Zukunft so Bestand haben wird, hängt in erster Linie von unserer Regierung ab und davon, ob man sich nicht von europäischen Grundsatzentscheidungen, auch zu Änderungen in diesen Bereichen, wird verleiten können. Zu folgendem Fall hat der Europäische Gerichtshof nämlich gerade etwas entschieden:

Der Fall:

Ein Mitarbeiter war von Anfang der 90-iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bis etwa 2014 bei einem Arbeitgeber beschäftigt, welcher ein Casino in Portugal betrieb. Dieses Casino wurde durchgängig, und zwar mit Ausnahme des 24. Dezember täglich von nachmittags bis zum frühen folgenden Morgen geöffnet. Der Arbeitnehmer hat teilweise an sieben aufeinanderfolgenden Tagen gearbeitet und hatte dann am darauffolgenden Tag einen Tag frei.

Diese Praxis führte dazu, dass der Arbeitnehmer nicht jeden Sonntag frei hatte. In Deutschland gibt es hierzu eine Regelung in § 11 Arbeitszeitgesetz, aus der sich ergibt, dass wenn ein Arbeitnehmer am Sonntag beschäftigt wird, ihm ein Ersatzruhetag gewährt werden muss, welcher innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen zu gewähren ist.

Auf Basis dieser gesetzlichen Regelung könnte man nun auf die Idee kommen, dass man einen Mitarbeiter z. B. von Samstag sieben Tage durcharbeiten lässt, dann noch einmal sechs Tage und im Anschluss daran dem Arbeitnehmer die zwei Ersatzruhetage gewährt, welche ihm nach dem Arbeitszeitgesetz zustehen. Der Arbeitnehmer hätte zu diesem Zeitpunkt dann 12 Tage durchgearbeitet, um dann seine Ersatzruhetage zu bekommen.

Ähnlich ging es auch dem Mitarbeiter aus Portugal, der sich gegen diese Vorgehensweise zur Wehr setzte. Nach der Arbeitszeitrichtlinie 1 der Europäischen Union hat nämlich jeder Arbeitnehmer pro-7-Tages-Zeitraum einen Anspruch auf eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zzgl. der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden.

Das portugiesische Berufungsgericht hatte nun im Hinblick auf diese Richtlinie (2003/38/EEG/Arbeitszeitrichtlinie) Zweifel an der Auslegung und wollte den Europäischen Gerichtshof vorab entscheiden lassen, ob die kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden, auf die ein Arbeitnehmer nach der Richtlinie Anspruch hat, spätestens an dem Tag gewährt werden muss, der auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Tagen folgt, oder ob z. B. der entsprechende Ruhetag auch vorangestellt werden kann, sodass man quasi zwei Ruhetage anordnet und im Anschluss daran wieder 14 Tage arbeiten lässt.

Die Entscheidung:

Der Europäische Gerichtshof hat wieder einmal, muss man bedauerlicherweise sagen, zugunsten des Arbeitgebers entschieden.

Er führt aus, dass das Unionsrecht nicht verlangt, dass die wöchentliche Mindestruhezeit spätestens an dem Tag gewährt wird, der auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgt, sondern nur, dass sie innerhalb jedes Pro-7-Tages-Zeitraums gewährt wird.

Hierzu führt der Europäische Gerichtshof aus, dass die Wendung Pro-7-Tages-Zeitraum keine Verweisung enthält, wie das jeweilige nationale Recht der Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen ist, sondern dass der Pro-7-Tages-Zeitraum einen autonomen Begriff des Unionsrechts darstellt und daher einheitlich ausgelegt werden müsse. Es kommt dann zu der Entscheidung, dass das Unionsrecht nicht vorschreibt, zu welchem Zeitpunkt die Mindestruhezeit zu gewähren ist. Es ist der Auffassung, dass wenn man den Zusammenhang betrachtet, in dem die Wendung „Pro-7-Tages-Zeitraum“ verwendet wird, dieser Zeitraum dann als Bezugszeitraum anzusehen ist, das heißt es sich nicht um einen festen Zeitraum handelt, innerhalb dessen eine bestimmte Anzahl aufeinanderfolgender Ruhestunden zu gewähren ist, sondern unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem diese Ruhestunden gewährt werden, einzuordnen ist. Dies hat zur Folge, dass ein Arbeitnehmer quasi vorangestellt einen Ruhetag bekommt, dann sieben Tage arbeitet (den Ruhetag hatte er ja schon am Anfang), dann sechs Tage arbeitet, dann arbeitet er nochmal sechs Tage und bekommt nun für die zweite Woche den Ruhetag und den Ruhetag für den darauffolgenden 7-Tages-Zeitraum direkt daran angehängt.

So kann man aus einer 6-Tage-Woche dann auch schnell einmal eine 12-Tage-Woche machen, nur dadurch, dass man zwei aneinander liegende Ruhetage gewährt.

Ob diese Rechtsprechung auch Einfluss auf das deutsche Recht haben wird, ist noch abzuwarten, eine Richtung ist jedoch klar abzusehen, nämlich dahin, dass Arbeitnehmer zugunsten von Arbeitgebern flexibler eingesetzt werden können, und zwar ohne sinnvollen Schutz durch die Arbeitszeitrichtlinie der EU.

 

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